Schinkenspeck
Berlin Friedrichshain, 30. April 19:50 und zwei harmlose Bergbewohner wollen mit einem Tiroler Schinkenspeck zu Bekannten gehen, weil sie dort zum essen eingeladen sind.
Um 19:55 werden die Tiroler aufgehalten. Mindestens 10 mit Helm und Schlagstock ausgerüstete Polizisten versperren den Weg. "Wollen Sie zu der Veranstaltung" nuschelt einer der Polizisten durch das dicke Glas des Helms hervor. "Welche Veranstaltung" fragt die Tirolerin naiv. "Na, 1. Mai, Walpurgisnacht.." "Hm, wir wollen nur jemanden besuchen"..."Was ham se denn da in der Tasche?" "An Schinkenspeck", sagt der Tiroler..."Na den nehm ich auch..." scherzt der Polizist und lässt die Unwissenden durch. Mit dem Schinkenspeck drängen sie sich durch die Menge. Punks und Alternative aller Art, mit Frisuren aller Art haben sich am Boxi versammelt und lauschen den Worten eines punkigen Alternativen, der erklärt wie man die Welt verbessern könnte.
20:00 Die Tiroler passieren die 2. Polizeikontrolle mit dem Schinkenspeck. Sie erreichen ihr Ziel.
23:00 und zwei vom Balkon aus live miterlebte Verhaftungen später wird die Demonstration zerschlagen. Die Polizei hat alles im Griff.
2:30 Mehrere Tiroler versuchen, von den Gitarrenklängen eines alternativen Punks begleitet, ohne ihre Wohnmeldebestätigung (die ma ja immer dabei hat,somal man hier überhaupt gemeldet ist..)und diesmal ohne Schinkenspeck, eine Polizeikontolle zu passieren. "Wir wohnen da..." "Ja wo denn...?" "K.-Straße..." "Okay"
Die Tiroler passieren die Kontrolle und laufen in eine ganz andere Richtung. Zur "Bretterbude", dort ist an diesem Abend wenig los.
GabiInBerlin - 3. Mai, 14:32
zeitlos
"Meine Damen und Herren, Ihre Fahrscheine interessieren mich nicht, ich möchte Ihnen unsere Zeitschrift den "Straßenfeger" anbieten. Ich selber bin Obdachlos und anstatt gar nichst zu tun verkaufe ich diese Zeitschrift. Ich flehe sie an bei Gott, kaufen sie mir die Zeitschrift ab oder geben sie mir eine kleine Spende."
Den kenn ich schon. Das ist der Obdachlose, der immer am Alexanderplatz einsteigt und immer den selben Spruch aufsagt. Als hätte er ihn auswendig gelernt und das hier ist nicht die U-Bahn, sondern ein Klassenzimmer mit einer strengen Lehrerin, die überprüft ob auch jedes Wort richtig ist.
Heute hat es der Straßenfegerverkäufer schwer. Die U-Bahn ist zwar pumpvoll, aber kein Neureicher und keiner dieser gelhaarigen Yuppies ist hier zu finden.
Geldloses Volk steckt hier in der U-Bahn und alle wollen noch irgendwo hin, ihr weniges Geld für was anderes ausgeben.
Denn eigentlich ist es ja 3 Uhr nachts oder morgens und die U-Bahn ist voller als am Tag um 3 Uhr nachmittags.
Dem Obdachlosen ist das egal. Er ist eben am Tag wie am Abend im Dienst, unterwegs, mit dem "Straßefeger"...zeitlos.
GabiInBerlin - 3. Mai, 14:32
Untertagblues auf Polnisch
"Untertagblues" Urwerk von Peter Handke, spielt gerade im BE (Was BE heißt sollte man hier gleich einmal kapieren, denn "Berliner Ensemble" sagt hier kaum einer). Im Stück beschimpft ein heruntergekommener Mann ca. 1 1/2 Stunden die Fahrgäste einer U-Bahn, und somit auch das Publikum. (hatten wir das bei Handke nicht schon einmal, aber egal...)
Ein Blues war es auch, den der alte Pole gesungen hat, den ich gestern in der U-Bahn gesehen habe:
"Der Arzt hat gesagt, müss wa mal gucken.." erzählt er mit starkem Akzent ins Leere, "und meine Tochter, die hat immer gesagt, musst mal zum Arzt gehen.."
Ein schicker Typ springt lässig in die U-Bahn. "Na, aber wa, wer...na du hast es wohl..!" fährt der Pole ihn an.
Und dann fängt er an zu singen. Er singt den Blues auf Polnisch. Singt und rennt durch das Abteil, weiß nicht wohin, rennt an faden Gesichtern vorbei, verlangt nichts, will nichts... nur singen, den Blues, auf Polnisch.
GabiInBerlin - 3. Mai, 14:31
14.04.
das, der, die
"Ich nehm auch so EIN Radler", sagt da doch tatsächlich Debo und die Kellenerin zuckt nicht einmal mit der Wimper.
Ein Radler also, gut denke ich mir und staune auch wieder nicht schlecht als ich im Supermarkt "fettarmER Joghurt" entdecke.
Im deutschen Fernsehen wird frech und laut die Frage gestellt, wieviele Beine EIN Krake hat.
... was jetzt also? Am besten gar nix sagen, oder doch das nächste Mal EINEN Radler bestellen?!
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DDR-Ausdruck
Kasino, steht hier angeschrieben und wurde mir auch beschrieben, hier soll es sein, hier bin ich richtig. Aber wo bin ich? Eine stinknormale Theaterkantine, würde ich einmal kühn sagen. Wo ist nur das Roulette, wo sind die Spielkarten, wo näselt jemand "rien ne va plus"? "Das ist das Kasino?!", frage ich sicherheitshalber nach. "Jaja, ach so du meintest... ach nee, weßte das is so n alter DDR Ausdruck..."
"Ich glaub ich ess jetzt meine Pampelmuse", erklärt mir Susi und ich schau einmal vorsichtshalber genau nach was das für eine Frucht ist, die sie da in der Hand hält. Da meckert schon ihr Freund los: "Pamplemuse, das ist doch so n alter DDR Ausdruck, den verwendet doch heut kener mehr! Grapefruit, das war denen zu westlich..."
GabiInBerlin - 3. Mai, 14:30
07.04.
René: Ich sitz so bei der Studienberatung und
warte, da spricht er mich an, zuerst mehr belanglos u ich denk die ganze Zeit,
der studiert sicher BWL, weil er ja in so einem Sakko rumsitzt und mit Igelfrisur und... irgendwann erfahr ich, dass er zu den Opfern des Numerus Clausus gehört und LATEIN und Philosophie studieren muss.
Eigentlich wollte er ja Englisch studieren, aber sein Notendruchschnitt reichte
nicht. Dann geh ich rein zur Studienberatung u wieder
raus und dann fragt er mich noch schnell:" Warten SIE noch ein bisschen" u ich
ganz noch Berliner Manier sag ein von oben nach untern gezogenes "Jooo". Dann
er wieder raus, total gestresst, dreht sich 3mal um. Ich hinter ihm und dann
rennt er los und ich weiß nicht was tun und renn hinter her. Irgendwann draußen
sagt er dann, ich kann eigentlich eh "DU" zu dir sagen.... ich sag einmal gar
nix. Dann rennt er zur S-Bahn, und finden noch schnell heraus, dass wir an der selben
Station aussteigen müssen. In der S-Bahn lümmle ich mich auf einen Stuhl, er
etwas unbeholfen, setzt sich daneben und überschwemmt mich mit Wörtern.
3mal erwähnt er ein Wort, dass ich noch nie im Leben gehört habe, aber zum Fragen bleibt keine Zeit.
Dann geh ich eben noch mit ihm Kaffee trinken. Er kommt nicht zum Trinken, da er mir seine ganze Lebensgeschichte + seine Einstellung zu Alkohol
u Drogen + seine letzte Geburtstagsparty + warum es mit seiner Freundin aus ist
( sie rauchte ab u zu Gras) erzählen muss... irgendwann dann die Frage was ich heute Abend mache.
Ich will ins Kino gehen (The Ring 2) Natürlich hatte er längst vor diesen Film zu gehen. (Obwohl er, wie später raus kommt den 1. Teil gar nicht
gesehen hat...). Also machen wir was aus. Er sagt mir noch schnell seinen Nachnamen und rennt um die Ecke.
Wir treffen uns also wieder, er hat noch immer seinen Anzug an. Er war nur
schnell einkaufen und ist dann gleich wieder los. Im riesigen Kino am Alexanderplatz
sind wir die EINZIGEN im Kinosaal. (vorerst). René ist TOTAL fertig. Mehrmals
sitzt er mit vor den Kopf geschlagenen Händen da u murmelt irgendetwas vor sich
hin. Ich bin ganz cool, such mir einen guten Platz u setz mich hin. Er lässt
einen Sitz zwischen uns beiden aus.... nach und nach kommen ein paar andere
Leute, er beruhigt sich langsam. Nach einer halben Stunde WERBUNG fängt der
Film erst an...als der Film aus ist rennt René zur S-Bahn. Diesmal kann er
nicht mehr sitzen. Die halbe S-Bahn leer u wir müssen stehen. Das macht der
Großstadtstress sagt er…
GabiInBerlin - 3. Mai, 14:29
Ab hier und sofort und überhaupt Notizen aus Berlin - von und mit Gabriele Wild:
06.04.
In der S-Bahn sitzen und Bibelsprüche an Häuserwänden lesen
Mit dem Rad auf holprigen DDR Straßen fahren und einen Ampelmännchen Shop entecken.
Auf dem Weg zum Park einem Punk mit nacktem tätowierten Oberkörper, Hund und aufgedrehter Stereoanlage im Garten beim umgraben zuschauen.
Am Weg zum Germanistik Institut den amerikanischen Sektor am Checkpoint Charly überqueren.
Den Typ von gegenüber beobachten und seine lautstarke Musik im Ohr haben, während bei mir Radio Multikulti läuft....
... das ist einmal alles Berlin, mal sehen wie´s weitergeht
GabiInBerlin - 3. Mai, 14:27